Über das Modellprojekt FAIRSTAGE

Über FAIRSTAGE als PDF:

Warum FAIRSTAGE? Arbeitsschwerpunkte und Zukunftsperspektiven

In den letzten Jahren gab es immer wieder Kritik am deutschen Theaterbetrieb. Die Anlässe sind und waren vielfältig: Vorwürfe über Machtmissbrauch und rassistische Vorfälle, aber auch Debatten um Arbeitsklima, diversitätsorientiertes Arbeiten sowie Ausfallhonorare oder Nichtverlängerungen.

Neben aller berechtigter Kritik und dem Wunsch nach Veränderung existieren bereits eine große Menge an Veränderungsvorschlägen und Initiativen. Es braucht eine Adressierung konkreter Zuständigkeitsebenen sowie einen möglichst breiten Prozess der Konsensfindung mit allen Beteiligten. Ausgehend von diesen Überlegungen initiierten Diversity Arts Culture, das ensemble-netzwerk und der LAFT Berlin (Landesverband freie Darstellende Künste Berlin) gemeinsam das Berliner Modellprojekt FAIRSTAGE, das durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert wird. FAIRSTAGE setzt sich für diskriminierungsfreie und gute Arbeitsbedingungen für alle festen und freien Mitarbeiter*innen an öffentlich finanzierten Berliner Theatern ein. Darüber hinaus spricht das Projekt Empfehlungen für die Häuser privater Träger aus. Ziel ist es, Expertisen zu bündeln und gezielt für eine fairere Berliner Branche einzustehen. Aber was heißt das konkret?

Im Sommer 2021 führte FAIRSTAGE – entstanden als ehrenamtliche Initiative – erstmalig ein Beteiligungsverfahren durch: Ziel war die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs, der Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche enthält. Dort finden sich konkrete Empfehlungen für die Verbesserung von Arbeitsklima und Diversität. Seitdem fanden zwei weitere Beteiligungsformate statt: 2023 wurde zum einen ein Empfehlungspapier für die Gestaltung transparenter, diversitätssensibler und partizipativer Leitungsfindungsprozesse erarbeitet, zum anderen werden seit Ende des Jahres Beteiligungstools und -strategien für einen fairen Arbeitsalltag entwickelt.

Eine der im Maßnahmenkatalog geforderten Entwicklungen ist die Stärkung marginalisierter Akteur*innen. FAIRSTAGE hat sich dieser Maßnahme verschrieben und rief im Jahr 2023 eine erste Ausgabe des Fellowship-Programms ins Leben. Von Diskriminierung betroffene Akteur*innen erhalten in Partnerorganisationen Einblick in Abläufe und Struktur kulturpolitischer Prozesse. Das Ziel: Vernetzungsmöglichkeiten für marginalisierte Akteur*innen schaffen und Diversität in der Kulturpolitik Schritt für Schritt mainstreamen.

Vernetzung spielt in der Arbeit des Modellprojekts FAIRSTAGE eine zentrale Rolle: Eine erste Konferenz fand bereits 2022 statt. Unter dem Titel „Late to the Game? Digitale Fachkonferenz des Modellprojekts FAIRSTAGE“ wurden konkrete Beispiele aus der Praxis vorgestellt, deren Übertragung auf institutionell geförderte Bühnen in Berlin möglich ist. Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen und Strukturen gaben Impulse und Anregungen, wie kulturpolitische Handlungsempfehlungen umgesetzt werden können und welche Herausforderungen die Praxis im Spielstättenbetrieb mit sich bringt. Einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Projekts hatte zudem die Kooperation und Mitwirkung an der Konferenz „Rethinking Intendanzfindung“ vom 13. bis 15. Januar 2023 gemeinsam mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung, dem ensemble-netzwerk, dem Deutschen Bühnenverein, der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Dramaturgischen Gesellschaft (dg). Es folgte im Januar 2024 die Konferenz „Wir sind auf dem Weg“, wo sich Kolleg*innen vor Ort über den Status quo des Theaterbetriebes austauschen konnten.

Die ebenfalls 2024 erschienene Publikation „Repräsentation, Leerstellen, Ausschlüsse – Über diversitätssensibles Arbeiten am Theater“ versammelt Stimmen, die einen strukturellen und künstlerischen Wandel der Theaterlandschaft fordern und teilweise auch umsetzen. Sie ist der Startschuss für weitere Auseinandersetzungen mit diversitätssensiblem Arbeiten und einer Auseinandersetzung mit dem Status quo der Berliner Bühnen. Die Frage nach Datenerhebung zum gezielten Kampf gegen Diskriminierung kommt in der Publikation auf und wird das Team auch weiterhin beschäftigen: Es bedarf dringend einer Datenübersicht über die Situation an Berliner Bühnen.

In der Praxis heißt diversitätssensibles Arbeiten für FAIRSTAGE auch, Weiterbildungs-Qualifizierungs- und Austauschangebote für Institutionen zu fordern und zu fördern und auch hier marginalisierte Akteur*innen zu stärken. Gemeinsam mit dem BIPoC-Netzwerk fand bereits ein erster Workshop statt.

FAIRSTAGE ist Koordinations- und Schnittstelle – zwischen Ratsuchenden und beratenden Organisationen und Expert*innen, Betroffenen und Beratungsstellen und Hilfsangeboten, zwischen Bedarfen der Praxis und politischen Prozessen und Theatern. Ziel bleibt jedoch die Abschaffung von FAIRSTAGE – in einer diversitätssensiblen Branche obsolet geworden. Daran bleiben wir und deshalb arbeiten wir gemeinsam mit Änderungswilligen an (faireren) Zukünften.